Interview
Christian Rätsch
Wie dürfen wir Dich vorstellen?
Christian Rätsch ist CEO der Kreativagenturen Saatchi & Saatchi sowie Leo Burnett und sitzt im Leadership Team der Publicis Groupe Germany. Der Marken- und Digitalexperte war zuvor bei der Beratung Batten & Company, dem IT-Player T-Systems und der Deutschen Telekom in unterschiedlichen Executive Managementfunktionen tätig. Nebenberuflich ist er Blogger (https://christianraetsch.de), LinkedIn Influencer sowie ntv-Markenexperte und beschäftigt sich mit Themen wie Geschäftsentwicklung durch Kreativität, Big Data und der digitalen Marketingtransformation.
Mit welchen Learnings gehst du aus der Pandemie?
Im Kontext unserer Kreativagenturen, dass Austausch und persönliche Nähe Menschen besser tut als die digitale Enklave. Kultur braucht Raum! Raum für Begegnungen, Raum für das Zufällige und auch Raum für das Mitmenschliche. Ideen entstehen nicht im Vakuum, sondern durch Kontext, Reibung und Perspektivwechsel. Somit hat die Pandemie der Agenturkultur geschadet. War die Zugehörigkeit in der Vergangenheit das größte Asset unserer Agenturen, fehlt nun der Schmierstoff der Gemeinsamkeit. Zunehmend wird die Agenturzugehörigkeit auf Projekte und Aufgaben reduziert und dies führt dazu, dass viele Werber sich fühlen, als seien sie Freelancer – ohne Agenturheimat, nur dem Ergebnis und hohem Wirkungsgrad verpflichtet. Daher müssen neue Wege der Kulturbildung her – hier stehen wir ganz am Anfang.
Was bedeutet für dich Kreativität?
Kreativität ist die Fähigkeit, Zustände zu verändern und das Undenkbare zu erreichen. Es geht bei Kreativität nicht darum, das Erwartbare zu optimieren und das Vorhersehbare zu realisieren. Es geht um nichts weniger als Neuland zu betreten und damit Zustände zu verändern. Echte Kreativität macht also einen Unterschied, überrascht und erlangt so die verdiente Anerkennung.
Was ist dein persönlicher Antrieb?
Ich handle nach dem Prinzip – wer Menschen bewegen will, muss sie berühren. Es ist für mich immer noch faszinierend, wenn Menschen sich einer relevanten Idee anschließen. Dabei will ich Unternehmen helfen, die Welt zu bereichern und das Leben der Kunden wahrhaftig zu verbessern.
Was treibt dich ganz aktuell um?
Die Agenturwelt ist in einer Transformation und in einer Relevanzfalle. Selber hilft sie ihren Kunden, attraktiv und bedeutsam für ihre Endkunden zu sein. Doch der Wert der Werbung schwindet und tatsächliche Markenerfahrungen (Experiences) treiben die Präferenzen. In einer digitalisierten Welt, in der Unternehmen in einer noch nie dagewesene Kundennähe und Unmittelbarkeit mit ihren Märkten interagieren, muss sich Werbung neu erfinden.
Warum sind Netzwerke und Communities unverzichtbar geworden? In welchen bist Du organisiert?
Selber bin ich LinkedIn Influencer und habe 70.000 Follower. Hier geht es mir darum, Gedanken zu teilen und andere Meinungen zu erfahren. Überhaupt bin ich ein großer Freund von einem Perspektivwechsel, weil er das Ergebnis immer besser macht und anregt. Zudem bin ich in diversen Institutionen und (Branchen-) Verbänden engagiert – so im Düsseldorfer Industrie Club oder in der IHK Vollversammlung.
Bei Netzwerken per se bin ich etwas skeptisch, weil ich das Gefühl habe, dass auf dem Rücken ihrer Mitglieder Geschäft gemacht wird. Beim Creative Hive ist das etwas anderes – hier begeistern mich die Macher und Mitmacher enorm, eben weil der Gedankenaustausch und die Inspiration als gemeinsames Ziel alle Teilnehmer verbindet.
Auf welche Projekte und Aktivitäten dürfen wir uns von Dir freuen?
Für unsere Agenturen Saatchi & Saatchi sowie LEO Burnett haben wir in diesem Jahr besonders hohe Ambitionen. Wirtschaftlich haben wir uns solide entwickelt. Aber als Kreativagentur werden wir unserem Ruf nur gerecht, wenn wir die Welt im wahrsten Sinne aus den Angeln heben. Da haben wir einiges vor.