Interview
Andreas Kipar
Wie dürfen wir Dich vorstellen?
Die Füße fest auf dem Boden unserer Wirklichkeit, aber den Kopf hoch erhoben, damit wir über alle Grenzen hinweg träumen können. Ich bezeichne mich selbst als deutschen Gärtner und Landschaftsplaner sowie als italienischen Architekten und Stadtplaner. Meine Gebäude sind die in den Boden gepflanzten Bäume. Mein Denken geht von der Dialektik zwischen der Vertikalen des Gebauten und der Horizontalen der Landschaft aus. Und im Zentrum stehen wir als Menschen. Mein international ausgerichtetes Beratungs- und Planungsunternehmen LAND hat Niederlassungen in Mailand, Düsseldorf und Lugano.
Mit welchen Learnings gehst du aus der Pandemie?
Die Pandemie hat uns aufgerüttelt, Grenzen gezeigt. Sie hat uns andererseits die Gelegenheit geboten, innezuhalten, den eigenen Lebensraum wahr zu nehmen und Fragen zu stellen, ohne gleich mit schnellen Antworten zur Tagesordnung überzugehen. Gelegenheit auch, um unser eigenes Tun zu befragen, mit dem wir unter dem Gebot der Nachhaltigkeit in gesellschaftliche Transformationsprozesse eingreifen und in Zukunft noch stärker eingreifen müssen.
Was bedeutet für dich Kreativität?
Auf das Gegebene zu achten, die Wünsche der Beteiligten zu verstehen, die Möglichkeiten zum Neuen, zu den Veränderungen zu entwickeln. Das bedeutet, alte Regeln zu brechen, sich spielerisch in Pausen zu verlieren.
Was ist dein persönlicher Antrieb?
Es geht um neue Formen des Zusammenlebens und letztlich um die Steigerung der Resilienz und der Lebensqualität unserer urbanen und ruralen Systeme. Nie dürfen wir aus den Augen verlieren, dass unsere Projekte auch über uns hinaus wachsen. Denn Landschaft war schon vor uns da und wird auch nach uns da sein. Sie bleibt jedoch nur dann lebendig, wenn sie sich im Laufe der Zeit verändert, erneuert. Wie es die Natur in ihrem biologischen Wachsen tut.
Was treibt Dich ganz aktuell um?
Der Wandel und das Aufbrechen in eine neue Zeit, die eigentlich schon länger begonnen hat, aber in ihren Konsequenzen der Dringlichkeit heute ein neues Ausmaß erreicht hat.
Wer ist Dein aktueller Lieblingskünstler?
Alle Künstler, die Natur nicht nur als Abbild nutzen, sondern aufbrechen – allen voran Anselm Kiefer etwa in den sieben Himmelstürmen im Mailänder Hangar Bicocca. Und Künstler mit denen ich in einem langjährigen und fruchtbaren Dialog stehen: mit Agostino Ferrari, der Zeichen mit Sinn füllt, mit Thomas Schönauer, einzigartiger Engineering Artist der Technik durch Empathie Gestalt gibt und mit Alberto Garutti, der Kunst im öffentlichen Raum lebendig hält.
Wer oder was inspiriert Dich?
Anteil am lebendigen Wandel zu haben. „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Der Reformator Martin Luther, der nicht nur mit seiner Liebe zu Bäumen gewissermaßen als Pate der grünen Bewegung gelten kann, hat mir eine Dimension der Hoffnung vermittelt, einen Glauben, der mich prägt und mir Haltung gibt.
Warum sind Netzwerke und Communities unverzichtbar geworden? In welchen bist Du unterwegs?
Wir stehen am Anfang einer Dekade, in der Natur endgültig in den Mittelpunkt planerischen Denkens rückt. Allein durch Nutzung natürlicher Merkmale und Prozesse können in unseren Städten die sozio-ökologischen Herausforderungen der Gegenwart wie der Zukunft gemeistert werden. Ohne Vernetzung der Akteure und das Hören auf die sozialen Bedürfnisse ist das nicht zu erreichen. Nur vernetzt im gesellschaftlichen Umfeld unseres Fachs und unserer Partner, im Schulterschluss mit Frauen und Männer von Kunst und der Wissenschaft können wir Erfolg haben.
Auf welche Projekte dürfen wir uns von Dir freuen?
Neue Projekte sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber, die generations- und grenzüberschreitend ohne einen holistischen Ansatz nicht gemeistert werden können. Die Zukunft mitgestalten, uns bei LAND selbst überraschen, darauf wollen wir uns selbst freuen. Das gilt im Inneren bei der Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit wie im Außeren bei der kontinuierlichen Verfeinerung unserer Zielvorgaben: „Reconnecting people with nature!“